Von Chhris
Die Leuchtstäbe brennen noch, tauchen die Umgebung in ein orangefarbenes Dämmerlicht. Ihr Licht flackert schon unregelmäßig und wirft immer wieder neue Schatten an die Höhlenwände. Sie scheinen sich zu bewegen. Oder ES bewegt sich. Es sitzt hier irgendwo.
Ich kann kaum atmen, mein Hals ist zugeschnürt. Der Mund staubtrocken und mein Herz schlägt mir ein pulsierendes Dröhnen in den Kopf. Das Visier meines Helms beschlägt beständig mehr, Schweiß rinnt meine Stirn herab, tropft von Nase und Kinn herunter. Es ist heiß hier drin. Und feucht, es wabert eine seltsame Art Nebel über dem Boden. Ich kauere mich noch dichter an den Felsen, hinter dem ich mich verstecke. Im Rücken die Höhlenwand. Bloß kein Geräusch machen, nirgends anstoßen. Unsichtbar sein, unhörbar sein.
Ich kenne seine Sinne nicht, was kann es wahrnehmen? Die Knie schmerzen in der Hocke, lange kann ich‘s so sicher nicht mehr aushalten. Wann erlöschen die Leuchtstäbe? Wieviel Zeit habe ich noch? Gibt‘s eine Chance hier jemals wieder lebend rauszukommen?
Ich kann Dave’s Körper im Halbdunkel sehen. Oder was davon übrig ist. Er liegt keine 20 Meter von mir entfernt, reglos auf dem Boden. In einer großen, dunklen Lache. Es muss ihn von hinten erwischt haben. Scheint, dass es ihm den Kopf und Teile seiner Brust einfach abgebissen hat. Mehr ist nicht zu erkennen.
Da war plötzlich ein kreischendes Fiepsen, Dave’s markerschütternder Schrei und ein lautes Knacken – wohl das seiner Knochen. Das war alles was ich hinter mir gehört habe. Bin nach vorn gerannt und irgendwie hinter diesen Felsen gesprungen. Dann sah ich hin und noch was wegrennen. Es war nur ein Schatten, aber wohl eine Art großes Insekt. Und jetzt liegen da im Dämmerlicht der Leuchtstäbe nur noch die Reste von Dave.
Sie hatten uns gewarnt, diese Höhlen zu betreten. Doch die Aussicht auf seltenes Erz war einfach zu verlockend gewesen. Wir hätten uns auf dem Weg in diese Asteroidenhöhlen viel besser vorbereiten müssen. Wir hatten gehört, hier im Untergrund gäbe es Fangschrecken, die ihre Höhle gegen Eindringlinge vehement verteidigen, Wie konnten wir nur so blauäugig gewesen sein?
Plötzlich ein irreales, schallendes Lachen. Dave’s Körper bewegt sich, richtet sich auf. An den Wänden des Gangs, wo eben noch das Insekt verschwunden war, nähert sich ein Schatten, eine spinnenartige Silhouette. Dave’s Körper kommt auf mich zu, mit Kopf. Mir wird schwindelig, ich muss schon wahnsinnig sein. Mein Verstand spielt verrückt, setzt aus.
„Chhris, beruhig‘ Dich.“ Dave’s Oberkörper und sein Kopf erscheinen im Licht. Es ist Dave, der sich selbst anleuchtet. „Was zum Teufel …“ „Komm‘ zu Dir alter Freund. Das ist übrigens Pete im Spinnenkostüm. Wir haben Dich geprankt. Ist doch Halloween!“.
Ich komme langsam hinter meinem Felsen hervor, starre Dave fassungslos an und blicke zu Pete, der sein Kostüm abnimmt. „Hallo Pete, und … vielen Dank. Auch ‘ne Art, sich vorzustellen.“ Die beiden können sich ihr Grinsen nicht verkneifen. „Ihr habt mir ‚ne Scheißangst eingejagt.“ gebe ich zu. „Haha, na komm, lass uns jetzt die Erze suchen“.
Dave ist im Begriff sich umzudrehen, als Pete Augen und Mund hinter seinem Visier weit aufreißt. Etwas packt mich an den Schultern, ein dumpfer Hieb fährt quer durch meine Brust. Die unteren Körperhälften der beiden sacken vor mir in sich zusammen zu Boden. Darüber fällt, was von Ihrem Oberkörper samt Kopf noch übrig ist.
Mein Kopf senkt sich ohne zu wollen. Ich blicke an mir herab. Die Arme enden jetzt knapp über den Ellenbogen. Unterarme samt Händen liegen beidseits meiner unteren, abgetrennten Körperhälfte. Meine Wahrnehmung schwindet schnell, doch aus dem Augenwinkel erkenne ich die mit Widerhaken besetzte Klaue eines Insekts. Könnte ich nur die Augen schließen, doch es geht nicht. Stattdessen kommt er nun immer näher – dieser dreieckige Kopf mit zwei riesigen Facettenaugen an den Seiten und einem Arsenal von Beißwerkzeugen…
Etwas rüttelt an meiner Schulter. Es ist Dave. „Chhris, gottseidank, da bist Du ja wieder.“ „Was … was ist passiert? Wo bin ich?“ höre ich mich völlig daneben selbst sagen. „Du bist nach unserem kleinen Späßchen einfach zusammen gebrochen. Warst minutenlang weg. Sorry, wir sind wohl etwas zu weit gegangen.“ Ich räuspere mich. Meine Stimme zittert. „Ich bin … ich bin“ stammele ich „… von einem Insekt gefressen worden.“ Beide halten sich vor Lachen. „Von einem Insekt? Vielleicht von so etwas?“ fragt Pete. In seiner Hand hält er eine kleine Heuschrecke. „Die gibt’s hier überall, aber ich glaube nicht, dass die schon mal einen Menschen gefressen haben.“ kichert Dave. „Echt Chhris, Du solltest vielleicht mal die schwarze Witwe weglassen.“
Autor: Chhris